Peter Ablinger:
Hard Edge
english translation below
aus:
"Metaphern",
in: Sabine Sanio, Christian Scheib (Hrsg.): "Übertragung - Transfer - Metapher", Kerber-Verlag, 2004
Viele der Weiss/Weisslich-Stücke sind als Serien organisiert, und auch das Ganze des Zyklus kann als (Meta-)Serie angesehen werden. "Weiss/Weisslich" bezeichnet eine (minimale) Differenz, die Differenz von Etwas und seiner Wiederholung, den Serien-Gedanken selbst.
Noch bevor Weiss/Weisslich zum Zyklus wurde, stand, in einer Reihe von Stücken etwa von 1986 bis 91, der aus der amerikanischen Farbflächen-Malerei stammende Begriff "Hard Edge" für die umgekehrte, die größtmögliche Differenz. Wenn man gewissermaßen das Weiß vom Weißlich scheidet, weitet sich die Kluft zwischen Identität und Differenz zum unüberbrückbaren Gegensatz zweier Ordnungen. Das können Gattungswechsel sein oder die Erfahrung des Wechsels politischer Systeme, bei denen - wie in Berlin 1989 - das Vorher und Nachher völlig inkompatibel geworden sind: Es gibt keine Sprache, die das alte mit dem neuen System kommunizieren ließe, die Bedeutung der Worte selbst hat sich geändert. Meine Hard Edge-Stücke damals waren oft einfache Zweiteiler, die den Gattungsknick, den Sprung in ein völlig Anderes, Inkommensurables zum Gegenstand hatten: Etwa konnte der erste Teil des Stücks ein Instrumentalstück, der zweite eine Performance sein ("At the one hand/at the other hand" 1986): Sobald man sich in einer der beiden Hälften befand, gab es keinerlei Verbindung mehr zur jeweils anderen, sie existierte gar nicht: Beim Wechsel ins Andere, in die andere Hälfte, findet etwas wie eine Zeitumkehr statt, und zwar gleichzeitig eine der inneren Bewegung des Beobachters und auch aller Bewegungen seiner Umgebung: Es ändert sich nämlich nichts für den Beobachter: Er kann kein Anderes bemerken.
Der Sprung in eine andere Gattung war die größtmögliche Differenz, die mir damals zur Verfügung stand. (Mit Gattung sind hier die Unterschiede von Instrumentalkomposition, Elektronikstück, Performance (szenischer Anteil), Klanginstallation etc. gemeint.) Seither sind die Differenzen der unterschiedlichen Gattungen zu meinen ständigen Begleitern geworden. Lange Zeit allerdings in getrennten Stücken: ich machte entweder ein Instrumentalstück oder eine Installation; - und nicht nur in getrennten Stücken, sondern auch in getrennten Notizbüchern, getrennten Werkreihen, für getrennte Orte (Konzertsaal oder Galerie) und für getrenntes Publikum.
Was ich hier unter dem Code "Hard Edge" zu beschreiben versuche, hat erst mal nichts mit der Serie zu tun: Wenn ich aber deutlich machen will, was die Serie, als das Immer-Wieder-Von-Neuem-Beginnen für mich bedeutet, muß ich vom "Hardedge" sprechen. Die beiden Differenzen, diejenige zwischen Etwas und seiner Wiederholung und die zwischen Gattungssystemen haben nämlich auch ein Gemeinsames: den Sprung. Der Sprung ins Andere (die größte oder die gar nicht mehr kommunizierbare Differenz) ist der Sprung ins Gleiche (die kleinste oder die gar nicht mehr wahrnehmbare Differenz). Das Andere ist das Gleiche. (zB. "La Fleur de Terezin" 1991; aber die eigentliche Fortsetzung/Ablösung der Hard-Edge-Stücke ist wohl der "Weiss/Weisslich"-Zyklus.)
Letztlich interessierten mich am Hard Edge nicht so sehr die beiden Flächen die da aneinanderstießen, sondern das was zwischen den Flächen war, das Dazwischen, das was man nicht festhalten konnte, das Außerhalb, die Differenz selbst.
Vergleiche / Compare:
BOOK OF RETURNS
WEISS/WEISSLICH
LA FLEUR DE TEREZÍN