Peter Ablinger:
Weiss/Weisslich 18 (1992/96)
"für Robert Ranke-Graves"
18.1: Birke, Eberesche, Esche, Erle, Weide, Weißdorn, Eiche
18.2: Steineiche, Hasel, Wein, Efeu, Schlehe, Holunder
18.3: Tanne, Ginster, Heidekraut, Espe, Eibe
Programmnotiz
18.1: birch, mountain-ash, ash, alder, willow, whitethorn, oak;
18.2: evergreen oak, hazel, wine, ivy, sloe, elder;
18.3: fir, broom, heather, aspen, yew
english notes
mit der technische Unterstützung von / with technical support of: IEM Graz und / and elektronisches Studio der TU Berlin
Peter Ablinger bei den Aufnahmen zu verschiedener Bäumen an verschiedenen Orten: 1. mit Weide in Brandenburg, Deutschland, 2. mit Hasel im Waldviertel, Niederösterreich, 3. mit Steineiche auf Istrien, Kroatien, 4. mit Wein im Burgenland, Österreich
Peter Ablinger recording different trees at different places: 1. with willow in Brandenburg, Germany, 2. with hazel at the Waldviertel, Niederösterreich, 3. with evergreen oak at Istria, Croata, 4. with wine in Burgenland, Austria
(Photos: Siegrid Ablinger)
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> CD with all 18 trees
Sabine Sanio: Akustische Abbilder
"In Peter Ablingers Kompositionsreihe Weiß/Weißlich finden sich einige extrem einfache Verfahren zur Konfrontation mit der Wirklichkeit. Der Titel ist eine Anspielung auf das Weiße Rauschen, das technisch produzierbare Klangtotal, das alle Frequenzen vereint. Die Kompositionen stellen Abwandlungen und manchmal sehr primitiv erzeugte Annäherungen an dieses Phänomen dar. Eines dieser Stücke besteht aus drei Folgen von hart hintereinander geschnittener Aufnahmen verschiedener im Wind rauschender Bäume. In dem endlosen, nur bei starkem Wind manchmal fast dramatischen Rauschen erhält man leicht den Eindruck, als seien die steten, unvorbereiteten Wechsel der einzelnen Rauschbilder die einzigen wirklichen Ereignisse. Eine andere Komposition besteht aus zwei Folgen von Tonbandaufnahmen aus dem Inneren von Dorfkirchen in Brandenburg. Daß etwas zu hören ist, bemerkt man hier erst so eigentlich beim ersten Schnitt: das Rauschen selbst ist kaum von leerem Bandrauschen zu unterscheiden, erst wenn der zweite Kirchenraum zu hören ist, erkennt man die subtilen Differenzen am Rande der Wahrnehrnungsschwelle.
Diese Stücke haben den Charakter von Gelegenheitsarbeiten. Es sind akustische Abbilder, ähnlich Fotografien, nur daß man mehr Zeit benötigt, sie zu "betrachten". Das extrem monotone Geschehen macht es dem Hörer schwer, die Aufmerksamkeit über längere Zeit aufrechtzuerhalten, Ablinger hat deshalb die Dauer der einzelnen Sequenz auf 40 Sekunden beschränkt - Zeit genug, um die Monotonie wahrzunehmen, doch nicht so lang, daß das Interesse für das Geschehen schon völlig zum Erliegen käme."
(Excerpt aus: Sabine Sanio "Muster, Ränder, Tote Winkel", Positionen, 2000, Heft 44)
Chico Mello: Klangbilder
"Sowohl diese Regelmäßigkeit als auch die klangliche Redundanz der Zeitabschnitte (Rauschen der Bäume) stellen den herkömmlichen „musikalischen “ Zeitverlauf in Frage: Die Klangbilder erzählen nicht, d.h. ihre formale Anordnung ist keine dramaturgische Strategie, die auf internen Referenzen basiert. Hier wird kein musikalischer Diskurs aufgebaut: Das Rauschen ist nur eine Präsenz – als ob es schon immer da gewesen wäre."
(Aus: Chico Mello "Mimesis und musikalische Konstruktion", Shaker Verlag, Aachen 2010)
"...zu Ihren Fragen: Die Bäume sind Mikrophon-Aufnahmen des Baumrauschens, nichts sonst; Knacken der Äste ist natürlich Bestandteil, und Windgeräusche auf dem Mikrophon sind nicht völlig eliminiert; aber ich bin ziemlich sicher, daß nichts anderes zu hören ist, kein Flugzeug etc. Ich hab für einige der Bäume eine geschlagene Woche angesessen (wie der Jäger) um eine störungsfreie Aufnahme von 40 sekunden zu erhalten (es ist auch nichts geschnitten); ich hab beim Aufnehmen auch sehr darauf geachtet, daß nicht eine andere, in der Nähe befindliche Baumart die Rauschfarbe des anvisierten Exemplars verändere. Und ich hab festgestellt, daß die Rauschfarben der Bäume wirklich konstant sind; daher: solange man sich in einer vergleichbaren Jahreszeit befindet (also zb. solange die Blätter eines sommergrünen Baumes noch grün sind) klingt die Rauschfarbe einer (Stiel-)Eiche immer gleich, egal ob der Wind gerade stark oder schwach (= laut oder leise), oder die Eiche an der Nordsee oder an der Adria steht."
(aus einer Korrespondenz mit Götz Naleppa)
“… The trees are microphone-recordings of
their rustling, nothing else; creaking, cracking
of twigs is a natural part and wind noises on
the microphone are not completely eliminated;
but I am almost certain that nothing else can
be heard there, no aeroplane etc. for some
trees I sat for more than a week, like a hunter,
in order to get an undisturbed recording of 40
seconds and also, nothing has been edited;
in recording I was also very careful that no
other sort of tree from the vicinity was to
interfere with the colour of the noise of the
specimen I was working on. And I found that
the colour of the noise of specific trees are
really constant; therefore: as long as the
season is the same (thus, for example, as long
as the leaves of a deciduous tree are still
green) the sound colour of an (English) oak
always sounds the same irrespective of the
force of the wind (strong or weak = loud or
soft) or whether the oak stands on the North
Sea or the Adriatic.”
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> "Ströme, Schritte", ein Text von Caroline Torra-Mattenklott
> siehe auch: Weiss/Weisslich 26, Skizzen für ein Arboretum
> siehe auch: Weiss/Weisslich 30, Schilf, Wind