Peter Ablinger:
"KAMMERSYMPHONIE"
aus: "Instruments &"
für 12 Instrumente und Dirigent (2009)
picc,ob,cl,fag,hrn,trp,pos,2vl,va,vc,kb, e.g.20'
"Instruments &" ist kein Stück. Es ist ein offenes Projekt, in dem jede einzelne Erscheinungsform nur ein Splitter eines nie in Erscheinung tretenden Ganzen ist.
Die erste Aufführung am 26.10.2006 in Berlin im Ballhaus Naunynstrasse, hatte den Untertitel "KEIN KONZERT" und war eine Art öffentlicher Probe wo die Spieler den Notentext erst on stage erhielten; parallel dazu, und wie eine Grundierung dieses nicht-konzertanten Vorgangs, habe ich einen Text - "Progamm Notes For One Composer" - gelesen...
Die zweite Aufführung in der Berliner Galerie Coma am 9.1.2007 hat einen ganz anderen Notentext zur Grundlage ("REGENSTÜCK"), der dann auch - wie üblich - vorher einstudiert wurde, und sich aus der Spektral-Analyse einer Regen-Aufnahme herleitet. In Kombination mit der temporären Installation eines Tropf-Geräusches (Wasser aus einem nassen Lappen tropft auf eine Trommel) entsteht eine Art Kontrapunkt verschiedener Zeiten: Das absolut vorhersehbare, aber nicht wiederholbare Ritardando der realen Wassertropfen, und die Da Capo-Spielen einer "Regen"-Partitur, die der Wahrnehmung selbst nach mehrmaliger Wiederholung unvorhersehbar bleibt.
Die dritte Aufführung - oder auch Erscheinungsform von "Instruments &" ("16 STÜCKE", UA am 1.2.2007 im Alten Rathaus in Potsdam,) kombiniert die Instrumentalisten (der Notentext kann für verschiedene Besetzungen instrumentiert werden) mit einer Schulklasse. Wie schon in den früheren "Versionen" des Stücks werden gewissermaßen verschiedene Präsenzen einander gegenübergestellt: Das auratisch Aufgeladene und das alltäglich Private, das Kunstvolle und das Schmucklose, die Fiktion (oder Poesie) und das Hier und Jetzt. In die Pausen der "16 Stücke" (diesmal einer Musik, die selbst eher zuzuhören scheint, als daß sie sich dem Hören präsentierte) sagen die verstreut unter das Publikum gemischten Schüler einfach nur das, was sie eben jetzt gerade, während die Musik schweigt, hören. (Dieser Sprecherpart kann ebenfalls variabel besetzt, oder sogar von den Instrumentalisten selbst übernommen werden.)
Die Nummer 4 des Zyklus: ein Stück für Solo-Cello und ein Schaufenster, bzw. für eine Situation, in der der/die Cellospieler(in) akustisch, aber nicht visuell von den Zuhörern getrennt ist. Drinnen, bzw. im Raum des Instrumentalisten befindet sich ein Mikrophon auf Stativ. Draussen, bzw. im Zuhörerraum, befindet sich ein einzelner Lautsprecher. Dazwischen geschaltet ist ein Delay von 500ms. Der Klang des Cellos (bzw. alles, was im Raum des Instrumentalisten passiert, wird also mit einer halben Sekunde Verzögerung nach draussen (bzw. in den Zuhörerraum) übertragen. Der/die Spieler(in) kennt die Partitur nicht, und erhält die Noten/Anweisungen erst unmittelbar vor dem Auftritt.
Die Nummer 5 ist wieder ein "REGENSTÜCK" und hat ein dem zweiten Stück verwandtes Set-up: Eine temporäre Installation (Wassertropfen auf Schlagzeuginstrumente) wird von einer konzertanten Intervention (eine Regen-Aufnahme für dirigiertes Ensemble instrumentiert) durchdrungen. Zwischen den beiden liegt eine dritte, statisch-kontinuierliche Ebene unabhängiger Streicherstimmen mit langsam durch alle Register gleitenden Dur-Akkorden.
Auch das sechste Stück thematisiert, wie schon die anderen Teile des Zyklus, die Konzertform als solche, diesmal aus der Perspektive der 100 Jahre früher entstandenen, Schönbergschen Kammersymphonie - gewissermaßen dem Gründungsstück moderner Instrumental-Ensembles. Der Dirigent ist hier Teil der Besetzung, denn ein guter Teil des Stücks ist wiederum nicht vorher einstudiert, sondern wird im Zustand der Probe präsentiert.
Wie dises Nicht-Stück insgesamt weitergehen wird ist ungewiß. Elemente früherer Aufführungen können in späteren wieder auftauchen; die "Probe" der ersten Aufführung gelegentlich fortgesetzt werden, das tendenziell ewig Aufgeschobene, nie Abgeschlossene des Projekts sich in anderen Besetzungen und Konstellationen fortsetzen. Was sonst noch alles, weiß ich noch nicht, - und das ist das Gute daran.
"Instrument &" is not a piece. It is an open project in which every single manifestation is only a splinter of a whole never appearing.
The first performance - Oct. 26 2006 in Berlin at Ballhaus
Naunynstrasse - had the subtitle "No Concert" and was more of a
public rehearsal, where the players received the musical text
only on stage; Parallel to this - and like a primer of this
non-concerto process - I read a text - "Program Notes For
One Composer"...
The second performance in the Berlin gallery Coma at Jan. 9
2007 has a different musical text to its basis ("Rain Piece")
which was rehearsed before as usual, and is derived from the
spectral analysis of a rain recording. A type of counterpoint of
different times result from a temporary installation of a drip noise (water from a wet rag drips on a drum. The absolutely foreseeable but not repeatable Ritardando of the real water drops and the Da Capo-repetition of a "rain" score remains unforeseeable for the perception- even after repeated reruns.
The third performance or manifestation, premiere on Feb. 1 2007 in the old city hall in Potsdam- combines the instrumentalists (the score can appear in different instrumentations) with a school class. As in the earlier "versions" of the piece, different presences are confronted with each other: Presence loaded with aura and the everyday, the artificial/the fiction (or poetry) and the Here and Now. During the pauses of the "16 pieces" (this time a music that seems rather to listen than to present itself to hearing) the pupils, seated scattered between the audience, simply say what they hear -while the music is silent. (This speaker part also can be performed variably or even taken by the instrumentalists themselves.)
The number 4 of the cycle: A piece for solo cello and a display-window or for a situation in which the cello player is acoustically but not visually separated from the audience. Inside (or in the room of the instrumentalist) there is a microphone on a stand. Outside (or in the audience space) a single loudspeaker is located. Between the microphone-input and the loudspeaker-output is a delay of 500 ms. The sound of the cello (resp. everything which happens in the room of the instrumentalist therfore will be transfered with a delay of half a second to the outside (resp. the audience space). The performer does not know the score and will receive it only immediately before entering the performance space.
Number 5 again is a "rain piece" and its set-up is related to the second piece: A temporary installation (water drops on
percussion) is overlayed by a concerto intervention (a
recording of rain orchestrated for conducted ensemble).
Between the two layers is a third, static continuous level of
independent strings with major chords gliding slowly through
all registers.
Like the other parts of the cycle the sixth piece
also brings up the concert situation as such. This time in the
perspective of Schoenberg's chamber symphony, originating from
100 years earlier - and so to speak the foundation piece of
new music ensembles. The conductor here is part of the
instrumentation because, again, a good part of the piece is
not rehearsed before but is presented in the state of a
rehearsal.
How this not-piece altogether will continue is uncertain. Elements of earlier performances may reappear in later; the "rehearsal" of the first performance might be continued occasionally; the project's tendency of delay and eternal suspension will maybe continue within other instrumentations and constellations. What else - I don't know yet. And that's the good part of it.
P.A. (english translation edited by Austin Buckett)
Fotos: Maria Tržan
listen to "Kammersymphonie", end of central part - posing Schoenberg's "Kammersymphonie" - plus epilogue (Ensemble Klangforum)
Notizbucheintrag, pdf
About the series "Instruments &", pieces 1-9, english translation, pdf
"Instruments &", Übersicht über den Zyklus und weitere Details
"Instruments &", overview and more details
Zum siebten Stück der Serie / go to: 7th piece of the cycle