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Wolfgang Hofer:

Dazwischen

Versuch, Ablingers Opera zu verstehen


Ich habe nichts als Rauschen ...
RUDOLF BORCHARDT

... und den Geräuschen des Tages
zu lauschen, als wären es die
Akkorde der Ewigkeit.
KARL KRAUS

2. Ansatz: Die Künste, das Kunstspartenübergreifende, das Zusammenwirken der verschiedenen Künste unter dem Dach der Oper (wobei allerdings nicht auf bereits erprobte Formen dieses Zusammenwirkens zurückgegriffen wird...)
3. Ansatz: Oper ist etwas Gesamtgesellschaftliches, nicht nur ein privater Diskurs einiger intelligenter Menschen (Streichquartett), sondern betrifft einen größeren Radius (allein schon weil sie viel Geld kostet). Und daher wird nicht nur erwartet, dass die Gesellschaft in die Oper geht, sondern die Oper geht hinaus in die Gesellschaft...


aus den Notizbüchern zur Stadtoper


Man sagt zurecht, jemand verstehe etwas von Kunst. Nicht: man verstehe sie, man verstehe Kunst. Das gilt es, vorab zu bedenken, lässt man sich auf die ästhetische Arbeit von Peter Ablinger nachhaltig ein. Und ohne Nachhaltigkeit geht da von vornherein gar nichts, auch wenn vieles, was einen dann mitnimmt, so leichthin aussieht, sich ausnehmend wie höheres Nebenbei. Da ist allemal ein überraschend Epatierendes darin, das nachgeht, mit oder ohne Zeitzündung der Erkenntnis. Allemal ist etwas besonderes in diesen Ereignislandschaften für alle und keinen, etwas, das en passant vollkommen neue Dimensionen eröffnet. Etwas, das in andere Horizonte von Bewusstsein und Erfahrung versetzt. Etwas, das vielleicht nicht sogleich, womöglich erst auf den zweiten Blick, durch ein Auf-Hören mit dem dritten Ohr Staunen macht, „buchenswert“ ist und merkwürdig – des umfassenden Merkens (auch nebenbei) würdig – bleibt. Nimmt man demnach wirklich wahr, was da alles auf einen zukommt, sieht nachher alles ganz anders aus. Unsere Welt zwischen Wille und Vorstellung inklusive. Es geht darum, die Sinne aufzuwecken. Es geht um gesteigerte Konzentration, um die Bündelung und Fokussierung von Aufmerksamkeit. Die Sache ist einfach kompliziert. Resumierbar und aufgehoben in dem scheinbar so schlichten Grund-Satz: „Aufmerksamkeit ist das natürliche Gebet der Seele.“ – Der Satz stammt zunächst einmal aus der Feder des Nicole de Malebranche. Eine Meditation über die Seele und die Formen des Geistes. Ein anderes aber ist es, bedenkt man Geschichte und Überlieferung, die dieser Depesche zuteil wurden. Der Satz findet sich nämlich wieder in dem epochemachenden Essay, den Walter Benjamin dem Dichter Franz Kafka gewidmet hat. Dort hat ihn späterhin noch jemand gelesen und dabei etwas Weiteres und Weiterführendes aufgelesen – Paul Celan. Unter dem Blickwinkel der Aufmerksamkeit hat er etwas wiedergefunden. Etwas Besonderes und Unverlierbares zwischen dem Raum und den Zeiten: das Gedicht, will sagen die Kunst. Der Dichter spricht:

Das Gedicht wird zum Gedicht eines – immer noch – Wahrnehmenden, dem Erscheinenden Zugewandten, dieses Erscheinende Befragenden und Ansprechenden; es wird Gespräch ...

Erst im Raum dieses Gesprächs konstituiert sich das Angesprochene, versammelt es sich um das es ansprechende und nennende Ich. Aber in diese Gegenwart bringt das Angesprochene und durch Nennung gleichsam Du Gewordene auch sein Anderssein mit. Noch im Hier und Jetzt des Gedichts – noch in dieser Unmittelbarkeit und Nähe, lässt es das ihm, dem Anderen, Eigenste mitsprechen: dessen Zeit.
DER HELD/ ist der Hörer/ – niemand sonst/ DER GRAL, hinter dem er (der Held/Hörer)/ her ist, ist die/ Wahrnehmung;/ Der Gral/oder die Isolde;/ Wahrnehmung gibt es nur durch Intentionaliät;/ Intentionalität ist Liebe, Begehren/ Der Held liebt/begehrt Isolde/den Gral/ Welche Drachen und Konkurrenten gibt es zu überwältigen, um Isolde/den Gral zu erringen?

aus den Notizbüchern zur Stadtoper

Wir sind, wenn wir so mit den Dingen sprechen, immer auch bei der Frage nach ihrem Woher und Wohin: bei einer „offenbleibenden“, „zu keinem Ende kommenden“, ins Offene und Freie weisenden Frage – wir sind weit draußen. Das Gedicht sucht auch diesen Ort.

Es befindet sich stets auf der Suche nach dem hic et nunc zwischen dem Raum und der Zeit – das Gedicht, will sagen die Kunst. Vielleicht sind sie labyrinthisch verschlungen, die Wege der Kunst. Vielleicht bahnt sie sich gerade auf Umwegen ihre weglosen Wege – die Kunst. Indem sie sich nach besonders „weit draußen“ vorwagt, werden sie vielleicht aber auch endgültig besänftigt – die wegverstellenden Furien des Verschwindens. „Nichts ist wahr, doch möglich, dass sich Anderes ereignet“: bildlos/weglos. Gerade dann, wenn es scheinbar keine Wege mehr gibt, gilt es, weiter zu gehen. Unterwegs bleibend im plus ultra. Bis sie sichtbar werden, die Zonen der Niemandsbezirke zwischen den fließenden Grenzen des Fruchtlands. Nur dort nämlich kann dann etwas dazwischen kommen. Vielleicht im Lichte der Utopie, von den durchlässigen Rändern hereinscheinend in das Geheime einer wiedergefundenen Zeit. In den schwebenden Momenten einer Dialektik des Stillstands kann sie dazwischen kommen – die Kunst. Sie ist das Dazwischenkommende.

So viel zuvor anlässlich von Peter Ablingers Opera / Werke. Diese bedürfen weiterhin einiger Zwischen-, Vor- und Randbemerkungen:

Voraussetzungen also, samt Überlegungen über künstlerische Korrespondenzen und die Koinzidenz

Auch der Satz, der den Eingang von Adornos Ästhetischer Theorie markiert, der Satz von der Selbstverständlichkeit, dass nichts, was die Kunst heute betrifft, mehr selbstverständlich sei, ist unterdessen alles andere als selbstverständlich geworden.
Beim Versuch, Peter Ablingers Projekt Opera / Werke zu verstehen, gilt es vorab, einige Präliminarien zu respektieren, einige Rahmenrichtlinien zu erkennen. Allesamt darauf hinauslaufend, unser etabliertes Verständnis der Kunst und der Künste zunächst einmal radikal in Frage zu stellen. Entführung findet statt, ausgehend von dem Alltäglichen, das uns umgibt und umstellt, ja bisweilen blendet. Entauch Verführung, weggeleitend in unbekanntes Gelände, wegführend in Territorien auch des scheinbar bislang Vertrauten, das doch noch völlig unerkannt ist.
Man versetze sich zunächst einmal in den Zustand einer Naivität zweiten Grades. Kunst hat auch mit dem Vergessen zu tun. Und – im Falle Peter Ablingers – mit dem absichtsvoll Kunst-losen. Der Intention der Intentionslosigkeit. Dem bedeutsamen Nebenbei im Groß und Klein. Mit dem Dazwischen.


Ablingers Ab- & Um- & Zuleitungen

Zwischenräume sind keine Elfenbeintürme. Als Wohnsitze der Kunst freilich noch schwerer dingfest zu machen. Peter Handke etwa hat sich zu ihrem ständigen Bewohner erklärt, auch Friederike Mayröcker hat sich darin ihr poetisches Sakramentshäuschen eingerichtet. Schon daran mag kenntlich werden, dass der genaue Aufenthaltsort nicht wirklich exakt lokalisierbar sein kann. Zwischenräume sind durchlässig. Und es muss verschiedene Zwischenräume geben. Mit unbestimmtem Wohnsitz, also ganz dicht dem Odradek Franz Kafkas benachbart. Auch Peter Ablinger ist als Künstler nicht nur Besucher, sondern Stammgast in den Zwischenräumen. Besonders als Komponist nimmt er uns dorthin mit, ist doch die Musik als Zeit-Kunst selbst ein transitorisches, zugleich höchst ephemeres Phänomen.
Angesichts solcher Konstellationen stellt sich zunächst die grundlegende Frage, wie das Kontinuum unserer Wirklichkeit – hier also der gesamte Kosmos einer „Stadt, die singt“ – auf die Musik übertragen werden kann.
Dazu bedarf es bestimmter Strategien und künstlerischer Verfahrensweisen, mittels derer das Gesamtspektrum des Realen in eine ästhetische Skala von Möglichkeiten übersetzt werden kann. Peter Ablinger spricht in diesem Zusammenhang von einem „Quadraturen-Prinzip“. Demnach wird das große Ganze durchdekliniert, in diskreten Schritten ausdifferenziert. Einer Art „Rasterung“ unterzogen, wobei ein Frequenz- und ein temporaler Raster einander ergänzen. Der eine definiert das chromatische Spektrum der Klangwelt, der andere ihr sukzessivdynamisches Erscheinen in der vergehenden Zeit. Quadraturen- Prinzip und Rasterung markierten zunächst also die Ausgangspunkte zu den – sich ständig erweiternden und verändernden – Grundrissen einer offenen ästhetischen Geometrie. Der Rest ist Exaktheit und Konsequenz der Recherche in den Rätselbezirken von Quadratur und Zirkel.
Wäre das Wirkliche nämlich das Gesamte eines alles umfassenden Kreises, so wird dieser durch Prozesse der Segmentierung und Selektion, Nuancierung und Reduktion so lange in jene unendliche Folge von Punkten zerlegt, bis an deren Enden schließlich der entscheidende Eckpunkt sichtbar wird. Als Wendepunkt. Nunmehr als Kreuzungspunkt und Umschlagplatz vielleicht jenes geheime Quadrat in den Binnenzonen und Zwischenräumen, wo aus dem Allgemeinen das Besondere entspringt. Als Dazwischenkommendes. Als Kunst.


Da würde sich am Ende also etwas runden, ohne geschlossen zu sein. Doch damit nicht genug. Ins Extrem weitergedacht nämlich würde die Metaphorik der Quadraturen des Kreises weiter führen zu den im Endlosen sich berührenden Enden der Parabeln. Dort würden die Horizonte horizontlos durcheinandergewirbelt. Universales Allerleirau. Mit Künstlern, deren Kopfgeburten mitten im Weltall schweben, während ihre Füße doch mitten im Bodensatz des Lebendigen stecken.

(Zwischenfrage: lieber den gordischen Knoten in der Hand, als unfassbar lang die offenen Luftwurzeln...?)

Es gilt, hier innezuhalten. Es ist Zeit, umzukehren. Kunst ist keine moderne Kosmologie. Kunst ist – besonders im Dennoch – mehr und anderes als die „Unendlichkeitssprechung von lauter Umsonst“. Und Peter Ablinger wäre nicht Ablinger, würde er im bunten Metapherngestöber nicht jene entscheidenden Partikel auffinden, die für das Eine einstehen, das man sonst so oft zwischen dem Hundertsten und dem Tausendsten vergeblich sucht.
Ad fontes Stadtoper Graz also. Es kommt hier nicht nur auf die Kunst an, sondern auf das differenzierte Ensemble der verschiedenen Künste. Auf eine spezifische Bereicherung ihres Alphabets und die präzise Erweiterung ihrer Begriffe. Auf Opera / Werke gewendet, bedeutet dies vor allem: Umdenken. Andere Streuung des Bewusstseins. Zweite Reflexion. Neu anfangen mit den so einfachen wie ernsthaften Scherzen um das immerwährende Spiel vom Fragen: Sehen und hören wir, was ist? Was wirklich „wirklich“ ist? Antwort: Wir nehmen (nur) unsere Möglichkeiten wahr. Wie aber nun eine adäquate Relation herstellen zwischen einer diffusen Akustik des Alltags und den etablierten Hörweisen einer kulturellen Konvention, die wir musikalisch nennen? Wir vernehmen etwa Geräusche, aber wir nehmen sie nicht wirklich wahr, wir überhören sie. Was aber dann, wenn Musik zunächst nichts anderes wäre, als eine akustisch potenzierte Erscheinungsform gestalteter Geräusche?
Es kommt auf die Wahrnehmung an. Das Erkennen selbst ist – nach Botho Strauß – „effektives Handeln, rastloses Erschaffen. Was wir als bewußte Wahrnehmung empfinden, ist in Wahrheit die Fokussierung des Gehirns auf eigene, in einem bestimmten Augenblick besonders stimulierte, interne Prozesse. Isolieren, Auswählen, Scharfstellen, Stabilisieren. Nicht der Gegenstand löst die Empfindung aus, ihn betrachten zu wollen, sondern eine namen-, bild- und scheinlos streunende Empfindung sucht sich eine Selbsterfüllung, in der ein Gegenstand betrachtenswert erscheint.“

Im Falle von Opera / Werke kommt alles auf das bewusste Hören an. Das Hören des Hörens. Es geht um ein besonderes Auf-Hören. Ein Nach- Horchen. Ein lauschendes Losen. Jedes einzelne der sieben Werke ist entscheidend um den Fokus des Hörens konzentriert. Dieser Appell ist nicht zuletzt deshalb emphatisch zu nehmen, als eines der letzten prägenden Werke für Musik und Szene, Luigi Nonos Prometeo, nicht zufällig den Untertitel einer „Tragödie des Hörens“ mit sich trug.

Peter Ablingers Stadtoper Graz firmiert unter dem Überbegriff Opera / Werke. Insofern schwingt da etwas mit, was man den Überhang der Tradition von Oper nennen könnte. Nur dass deren überkommene Muster und Modelle hier vollkommen außer Kraft gesetzt werden. Der berühmt-berüchtigten Opern-Frage: „Wie fang ich’s nach der Regel an?“ – wird mit der Parole „Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann“ erstmals ernsthaft Paroli geboten, indem die hier erstellten Regeln radikal und konsequent verweisen und Kurs nehmen auf neue Territorien in der heutigen Kunstlandschaft. Auf die Werke, die als Ganzes schließlich mehr ergeben als die Summe ihrer Teile. Eine Art Opera eben. Als Ensemble voneinander unabhängiger und doch konkret aufeinander bezogener Werke. Mithin nicht zu verwechseln mit dem, was man gemeinhin „Gesamtkunstwerk“ nennt.

Natürlich ist die Stadtoper Graz Werk für Werk auch Teil einer ästhetischen Toposforschung im Sinne von Grenzüberschreitung. Es geht um Erweiterung im Sinne von substantieller Reduktion, Bündelung und Vernetzung. Im Sinn eines offenen Netzwerks. Aber das allein ist es noch nicht. Denn die Werke selbst sind eigentlich erst das Werkzeug. Das Werk-Zeug als kleines oder großes Organon für die Kunst. Jener Stoff, aus dem Akt für Akt deren Träume werden.
Richard Wagner hat die Musik als „Kunst des Übergangs“ definiert. Hier, im Falle der Opera / Werke, wäre von einer Kunst zu sprechen, die erst in den Übergängen entsteht. In den Momenten einer konkreten, erfüllten Vermittlung, der reflektierten Rezeption. In dem einen, alles entscheidenden und eigentlichen AKT der PERZEPTION, der sinnlich-bewussten Wahrnehmung und Erfahrung. Alles ist Durchgang. Metamorphose. Im Brennpunkt des Hörens. Genauer noch: im Hören des Hörens. Dieses, das Hören transzendierende Hören, ist das Dazwischenkommende. Sie ereignet sich im Dazwischen, die Kunst. Das eigentliche Werk passiert an der Grenze, der „Kairos“ passiert jenseits der Grenzen, dort, wo die Werke als Organon enden. Insofern wäre die Stadtoper Graz auch ein Passagenwerk.

In der Kunst und den Künsten kommt immer etwas dazwischen. Zur Erinnerung: ein Aphorismus und eine Anekdote. Er habe, hat Paul Cezanne einmal Gustave Mallarmé gegenüber bemerkt, so viele Ideen für Gedichte. Erstaunt soll dieser erwidert haben: „Aber Gedichte macht man doch nicht aus Ideen, sondern aus Worten“. Analoges hat Arnold Schönberg einmal zum Ausdruck gebracht, indem er bemerkte: „Ich male doch ein Bild, nicht einen Stuhl.“
So viel zur Kategorie der Differenz im Dazwischen. Man kann diese ästhetische Dialektik auch mit einem allegorischen Bild Peter Ablingers exemplarisch beschreiben. Man stelle einen Stuhl in eine Landschaft, sagt er, hinzufügend, das sei noch gar nichts. Erst indem sich jemand dort hinsetzt, hebt das Werk eigentlich an. Als Momentform des Hörens. Erst der Hörvorgang ist das Werk. Das Hören selbst wird ausgestellt.
In solchen Formen der Installation oder Exposition stellt sie sich ein, tritt sie dazwischen, die Kunst. So wie die opaken Dessins eines ungemalten Bildes im furiosen Fabulierstrom der Bildbeschreibung des Heiner Müller erst im akuten Akt des Lesens Umriss, Kontur und Gestalt annehmen.

In diesem Sinn kann der Leser zum erweiterten Autor werden. Analog dazu der Hörer die begriffslosen Depeschen einer Musik auf den konkreten Begriff musikalischer Gedankenbilder bringen. Das, nicht zuletzt, bringt auch und besonders im Fall Peter Ablingers die Einsicht einer veränderten Physiognomik des Künstlers selber mit sich. Alle Maximen und Reflexionen seiner ästhetischen Praxis sind dem künstlerischen Bestreben gewidmet, eigentlich nichts künstlerisches zu tun. Dabei ist es nicht im geringsten um die Entkunstung der Kunst bestellt. Vielmehr entspringt die Gesamtheit seines künstlerischen Bestrebens aus einer Fluchtbewegung vor den Werken. Ablingers ästhetische List der Vernunft ist in der Intention versteckt, der Kunst zu entkommen durch Kunst. Durch eine letztendlich unüberschaubare Galerie von Werken. Durch die Kreation endloser Zyklen wie Voices and Piano, Quadraturen, Weiß weißlich und so weiter.

Nicht die Utopie der Kunst überflügelt die Werke, die Utopie der Werke überflügelt hierbei die Kunst. Das so genannte Ganze gibt es nicht. Hier ist es tatsächlich das Unwahre. Die Stadtoper Graz ist von ihrer gesamten ästhetischen Machart her der emphatische Prozess einer Fragmentierung, und Segmentierung der Oper als traditioneller Kunstform – unter dem spezifischen Signum des Hörens. In ihre form-konstituierenden Einzelteile – also Opera / Werke – zerlegt, werden diese auf die Freilegung ihrer potentiellen Eigendynamik und latenten energetischen Ressourcen hin überprüft. Was dabei an innovativen Tendenzen zum Vorschein kommt, folgt in gewisser Form der ästhetischen Devise Walter Benjamins, wonach eine wirklich genau angeschaute Zelle Wirklichkeit den ganzen Rest der Welt aufzuwiegen imstande sei. So hat Peter Ablingers breit gefächerte Kunstarbeit in den diversen Disziplinen als imaginäre Fluchtbahn vor dem Banalen zuletzt auch ein konkret benennbares Ziel. Im Aufruf zu einem umfassenden „Depart“. Es geht um eine Maximierung der Kunst unserer Wahrnehmung. Um gesteigerte Aufmerksamkeit. Es geht darum, die Sinne emphatisch aufzuwecken. Auch wenn wir das Sein nicht unmittelbar ändern können, so doch zumindest das Sensorium unseres Bewusstseins. Und auch wenn wir die Welt (noch) nicht wirklich verändern können, so doch unsere Wahrnehmung von ihr. Dann mag vielleicht noch etwas anderes dazwischen zu kommen.

Nicht nur die Kunst.



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