Peter Ablinger
WARTEN
waiting
(2006-2022)
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"Warteschlange", notebook entry 2006
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"Wartesaal", notebook entry 2006
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"Warteschlange, Labyrinth", notebook entry 2007
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"Warteschlange, Saal", notebook entry 2019
Warteschlange
(Hörstück)
Warteschlangen haben unterschiedliche und ambivalente Aspekte. Zu den unangenehmeren gehören ausgerechnet die fortschrittlichsten Errungenschaften der modernen Zivilisation, Security-Überprüfungen im Flughafen etwa, wo der Mensch nicht viel anders als Schlachtvieh durch Maschinen und Scanner hindurchgeschleust wird...
Dann gibt es die Nostalgie des Wartens, ein Warten, das es so schon gar nicht mehr gibt, das Warten der Prä-Handy und Prä-PC-Ära, wenn man etwa an einer abgelegenen Bahnstation den Zug verpasst und keine andere Wahl hat, als auf den nächsten zu warten, stundenlang vielleicht, ohne Telefon, und nicht mal ein Buch zur Hand um sich die Zeit zu verkürzen: Das ist das Warten als Geschenk, das Herausfallen aus dem Funktionieren und dem verplanten Alltag. Das Hören hat für mich etwas mit diesem Herausfallen aus der Funktion zu tun (zB. einer Sprache zuhören, die wir nicht verstehen)...
Und dann ist da die labyrinthisch gewundene Form der Warteschlange, das sich abwechselnd nach links und wieder nach rechts Wenden, die Windungen, die die Aufmerksamkeit in verschiedene Richtungen lenken können wie eine barocke Treppenanlage...
"Warteschlange, Labyrinth", Version Philharmonie Luxembourg, 2013
45 Absperrpfosten mit Zugband
links oben: innen (18 Pfosten); rechts oben: aussen (27 Pfosten);
links unten: aussen, das zentrale Labyrinth; rechts unten: Blick von innen nach aussen.
"Warteschlange, Labyrinth", Version Schwesternpark Witten, 2022
85 Absperrpfosten mit Zugband
rechts unten: Labyrinth, Grundriss
Barocktreppen
aus: "Barock" von Pierre Charpentrat
(erschienen in der Reihe "Architektur der Welt",
Hrsg. Henri Stierlin, Benedikt Taschen Verlag, 1964)
Das Pathos des geformten Steins setzt sich über das Portal hinaus bei den Prunktreppen fort. Bereits zwei Jahrhunderte früher hatten die europäischen Baumeister dieses Thema zu entwickeln begonnen, und die ersten Variationen stammen, Pevsner zufolge, aus dem plateresken Spanien. Die Treppen von Maisons und Blois zählen zu den großartigsten Leistungen des François Mansart. 1643 verwandelt Longhena die käfigartige Treppe von San Giorgio Maggiore in Venedig in einen riesigen autonomen Raum. Die beiden symetrischen, im rechten Winkel gekrümmten Treppenstücke enden im ersten Stock in einer Galerie, deren Balustrade direkt die ihre fortsetzt und sie beide miteinander verbindet. Die Treppe bildet ein Ganzes, ein selbständiges Monument, ein je nach dem Standort wechselndes Schauspiel; man kann hinaufsteigen - und auf der anderen Seite wieder herunterkommen - ohne anderen Zweck, als die Gruppierung ihrer Glieder von verschiedenen Blickwinkeln aus zu betrachten.
Nach den Künstlern der anderen italienischen Städte, darunter insbesondere Bologna, machen sich auch die der Habsburger diesen Grundsatz zu eigen, wenden ihn jedoch in einem anderen Sinn an: Ihre Treppen drücken weniger die voll entfaltete Großartigkeit als die Spannung, den Kampf gegen die Bedrohung und des Erdrücktwerdens aus. Sie wollen nicht mehr den Höhenunterschied für das Auge mildern, sondern ihn überbetonen, nicht die Aufmerksamkeit von der Schwerkraft ablenken, sondern sie fast schmerzhaft ins Bewußtsein rufen. Die Proportionen unterstützen sie dabei. Desgleichen die unter der erdrückenden Last gekrümmten Atlanten, die uns, mit dem Obergeschoß auf den Schultern, im Palais des Prinzen Eugen und des Grafen Kinsky empfangen. Die theatralische venezianische Treppe erwartet die Schauspieler schweigend. Die Wiener Treppe erbebt an ihrem Ansatz unter dem Stöhnen der Träger und strotzt vor tragischen Masken. Selbst der Aufgang mit seinen fetten trägen Voluten, seinen unregelmäßigen Spiralen, die wie tertiäre Faltungen zusammengepreßt sind, und dem Aufruhr seiner zusammenhanglosen Abschweifungen beunruhigt und bedrückt. Aber danach leuchtet die Galerie des "piano nobile" wie ein Berggipfel. Große Fenster zerstreuen die Schatten, die die gewaltsamen Krümmungen des Geländers werfen, und an den Ansätzen der großen Leuchter treiben Putti ihr ausgelassenes Spiel. Nördlich der Alpen ist die Treppe nicht mehr dazu da, um bewundert, sondern um erlebt zu werden.
Jungsteinzeitliche Labyrinthe
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Labyrinths, stone gravings, New Grange, Ireland
Sonnenblume, Spiralen
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Sonnenblume, Spiralen, Fibonaccizahlen
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