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Peter Ablinger:
PALASTMUSIK
from: "Augmented Studies"



für Infraschall und Ultraschall


8 Hörpositionen im öffentlichen Raum (2009/10)



The day of the opening of the installation, January 31 2010.
8 listening positions across a long wooden bench.
Each position consists of an individual bass exciter and piezo tweeter.
TONSPUR - Sound works at Schlossplatz in Berlin.



PALASTMUSIK
für Infraschall und Ultraschall

Eine unhörbare Musik für einen nicht vorhandenen Palast, eine Musik für das Nicht-Vorhandene. Oder auch: eine Musik für eine nicht-menschliche Wahrnehmung, eine Musik, die einer Wahrnehmung gewidmet ist, die die durch Kultur und Erlerntes gegängelten menschlichen Wahrnehmungsmuster links liegen läßt. Oder auch: eine Musik für Hunde, Fledermäuse, Elefanten, Wale und Kaum-Geborene.

8 Hörpositionen sind 8 Lebensalter zugeordnet, der Reihe nach von etwa 10, 20, 30, ... bis etwa 80 Jahre ansteigend. Das Tonmaterial besteht aus einem Kanon aufsteigender Tonleitern an und über der oberen Gehörgrenze, also im Ultraschall-Bereich, und einem aus absteigenden Tonleitern im Infraschall-Bereich, der also bis in jene Tiefen vordringt, wo sich Töne in einzelne Impulse auflösen. Letztere können wir nicht mehr hören, nur mehr spüren: Auch dieser Teil des Stücks bleibt uns solange verborgen, bis wir uns - trotz Winterzeit - auf die Bank über eine der 8 Lautsprecherpositionen setzen. Das Organ für die nun wahrgenommene Musik wird dann nicht mehr das Ohr sein, sondern unser Hintern.

Die obere Gehörgrenze dagegen ist je nach Alter extrem verschieden. Jüngere Menschen werden die Hörpositionen der Älteren deutlich hören. Aber selbst die jüngsten von ihnen werden nicht alles hören können, sondern nur den individuellen Ort des Verschwindens der aufsteigenden Tonleiter, ihre ganz persönliche Hörgrenze - da wo alles aufhört.

Palastmusik ist Siegrid, meiner Frau gewidmet.


PALACE MUSIC
for infrasonic and ultrasonic sound

An inaudible piece of music for a nonexistent palace, music for the absent. Or, a piece of music for non-human perception, music dedicated to hearing that totally ignores spoon-fed patterns of human perception. Or, a piece of music for dogs, bats, elephants, whales and the barely-born.

8 audio positions are arranged according to eight stages of life, in order: roughly 10, 20, 30… rising to about 80 years old. The sounds consists of a canon of rising scales on and above the auditory threshold, i.e. into the ultrasonic field, and one of scales descending into the infrasonic field, i.e. sinking to the depths of sound where the tone dissolves into individual sound waves. We can't hear the latter, we can only feel them: even this part of the music remains inaudible to us until we sit on the bench above one of the speaker positions. The sensory organ for the music heard will no longer be our ears, it'll be our buttocks.

In contrast, the higher auditory threshold varies considerably according to age. Younger people will clearly hear the speaker positions for the more aged. Although even the youngest of these will not be able to hear everything, just the individual locations where the ascending scale disappears, their own personal auditory threshold — where everything ceases.

Palastmusik is dedicated to Siegrid, my wife.



Technische Beratung / technical consultant Winfried Ritsch
Lautsprecherdesign / speaker design Udo Wohlgemuth
Studiotechnik / studio technician Thomas Musil
Abmischung / mixing IEM Graz
Installationseinrichtung / technical supervision, installation Peter Szely
Produktion / production TONSPUR für einen öffentlichen raum, Wien
Künstlerische Leitung / artistic director Georg Weckwerth
Unterstützt durch Österreichisches Kulturforum Berlin / supported by the Austrian Cultural Forum Berlin




"Es könnte Peter Ablinger, den wir als Erforscher des Rauschens in Natur und Menschenwelt und als Erkunder der Grenzen von Sinn, Klang und Geräusch kennen, nichts ferner liegen, als eine Musik zu schreiben, die auf vergangene Ideologien reagierte. Doch man kann sich der, wie man zu sagen pflegt, "Geschichtsträchtigkeit" des Ortes nicht ganz entziehen. Ablinger löst das Problem mit romantischer Ironie, nein, mit doppelter Ironie. Er ehrt den Palast mit einer Musik, die man nicht oder 'nicht wirklich' hören kann(...)

(...) Es ist alleine unser Gehirn, dessentwegen alles klingt und tönt. Unser Hintern dagegen fühlt das Zittern, Vibrieren, Rumoren und das ist viel eher ein Empfinden der Wellen und der Luftbewegung als unser gewohntes "Hören", in dem die Wellen gerade still gestellt sind und als "Ton" oder "Klang" erscheinen. (Wenn wir Wellen des Meeres hören, hören wir nicht die Schallwellen, sondern die Frequenz, mit der eine Wasserwelle auf die andere folgt.) Überall, wo wir "Töne" und "Klänge" hören, hat uns unser Gehirn also von den Wellen, dem einzigen, was in der Natur und außerhalb von uns wirklich geschieht, irreversibel getrennt. Das Reich der Töne und Klänge und besonders die Systematisierung der Klänge, die wir "Musik" nennen, diese einzigartige Errungenschaft der Evolution und Kulturisation, hat demnach einen traurig hohen Preis: Wir nehmen eigentlich nicht mehr wahr, was außerhalb von uns passiert. Wir hören nur noch uns selbst, die Produkte unseres Gehirns. Und das Gehirn macht uns auch noch vor, wir hörten, was 'dort draußen' klingt. Und wir glauben das auch noch. Das ist eine Grenze, über die uns Peter Ablingers Installation ein wenig hinaus führen will."
(aus: Sebastian Kiefer: Romantische Ironie des Gesäßes / Peter Ablingers "Palastmusik für Infraschall und Ultraschall")

Bild: Palast der Republik, September 2008, fotografiert von Maria Tržan



"Palastmusik", technische Details, pdf


see also:

Subsonic and ultrasound concepts since 1983

Window Piece: Seeing and Hearing the Music of Peter Ablinger
2010 by G. Douglas Barrett

Quadraturen V




Weiss/Weisslich 25 (1996) Mund, Augen, Ohren zu



Acoustic Interruption


Hörstücke / Listening Pieces


See also: Augmented Studies - The Series



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impressum \ this page was created by Aljoscha Hofmann \  last edited 31.01.2010 CET