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Peter Ablinger:
WEISS / WEISSLICH 23
Kunstkopf/Kopfhörer
1995







Weiss/Weisslich 23, Kunstkopf/Kopfhörer
bei den Wittener Tagen für Neue Musik 2003
Foto: Maria Tržan


Aus "Ohne Titel" von Christian Scheib:

Wo auch immer man einen Kopfhörer hängen sieht, der offensichtlich da hängt, um benutzt zu werden, setzt man ihn sich auf in der Erwartung, jetzt etwas einem Fremdes, meist Musik oder Erklärungstext, zu hören. Etwas vorerst Befremdliches hört man auch wenn man den Kopfhörer Peter Ablingers aufsetzt. Die erste getäuschte Erwartung aber ist, daß da nichts "Anderes/Fremdes" zu hören ist. Das technische Set-up überträgt in die Kopfhörer hinein genau jene akustische Situation, die auch ohne Kopfhörer gehört werden würde. Nun aber beginnt das weiss-weissliche Spiel mit der Differenz der Wirklichkeiten: Entgegen einer ersten Erwartung, daß das nämlich ohnedies das Selbe sei, was man draußen und drinnen hören würde, erweist es sich, daß es sich bestenfalls gleicht. Aber selbst das ist schon Euphemismus: Die Dfferenz zwischen dem Hören des gleichen Umfelds ohne oder mit Kopfhörer ist riesig. Die bloßgelegten Unterschiede sind solche unserer Wahmehmung: Nicht nur treffen tatsächlich andere Schallwellen anders an unser Trommelfell, wenn wir das Gleiche plötzlich mit Kopfhörer hören, es ist auch unser geübter Umgang mit Situationen, der Unterschiede erzeugt. Anstatt wie jedes andere Raubtier auch aus der offenen Menge an einströmenden Schallwellen durch den unmittelbaren Eigenbezug, den man mit der Situation verspürt, augenblicklich und permanent zu filtern, und zwar weniger nach Lautstärke oder anderen physikalisch definierbaren Kriterien, sondern nach biologisch-sozialen, also welches Geräusch verheißt wichtige Information, welches Geräusch kündigt Neuankömmlinge oder Näherkommende an, gibt es gar ein Geräusch, das Gefahr signalisiert, oder zumindest bevorstehende Unanehmlichkeiten wie das leise Beginnen von ersten Regentropfen am Dach der Galerie; anstelle dieser eingeübt alltäglichen Selektion, versetzt uns der Kopfhörer in eine völlig artifizielle Welt, auch wenn sie vorgibt, dieselbe akustische Welt abzubilden. Nichts stimmt mehr: Das unbemerkte Scharren der eigenen Füsse am Galerieboden wird unerträglich laut, und was der interessante Mensch da links hinten gerade sagt, ist völlig unverständlich, weil Dutzende andere Stimmen plötzlich annähernd gleichlaut sind. Daß dem so ist, weiß man seit langem, beide Situationen, jeweils für sich genommen, wurden oftmals im Kunstkontext - von Hörspiel und Film zur Elektroakustik - benutzt. Peter Ablinger benutzt das Erstaunen ob des Unterschieds aber nicht, um eine andere Geschichte als diese selbst zu erzählen, und an dieser selbst interessiert ihn auch weniger der eine Zustand oder der andere, sondem der Übergang. "Man hört also" - heißt es in einer ersten Beschreibungsskizze zu diesem Stock - "mit Kopfhörer das Gleiche wie ohne - oder: eine Differenz. Diese Differenz ist das Stück".

> hier der ganze Text "Ohne Titel" von Christian Scheib


ink-sketches 1995 and 1996




"Kunstkopf/Kopfhörer" im Archtitekturmuseum Basel 2015


siehe auch:

> Weiss/Weisslich 36, Kopfhörer (Walkman)

> Weiss/Weisslich 19, Move Hands Behind Ears/Remove

> Weiss/Weisslich 14, Sitting and Hearing

> Mehr Wirklichkeit 3 / Hören in 4 Sätzen

> Static's Music - Noise Inquiries, fundamentals about Peter Ablinger's work, by Christian Scheib


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impressum \ this page was created by Aljoscha Hofmann \  last edited 31.01.2016 CET