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OPERA/WORKS, Cityopera Graz in 7 Acts


6. Akt: DIE BESTUHLUNG
36 Stühle als Hörorte,
an täglich wechselnden Orten im Stadtraum



Der Stuhl ist der klassische Ort des okzidentalen Hörens.
36 Stühle, im Freien aufgestellt als kleines Auditorium, lassen Raum für andere Betrachtung und anderes Hören der Stadt: an bekannten und unbekannten, an zentralen und geheimnisvollen Plätzen und Orten. (aus dem Faltblatt zur Stadtoper Graz)

Sa 1. 10. Karmeliterplatz, So 2. 10. Tummelplatz, Di 4. 10. Mariahilferplatz, Mi 5. 10. Klinikum Graz Eingangszentrum Riesplatz, Do 6. 10. Andritzer Hauptplatz, Fr 7. 10. Musikuniversität Graz Leonhardstraße 15, Sa 8. 10. Puntigam Endhaltestelle Linie 5, So 9. 10. Freiheitsplatz, Di 11. 10. Jakominiplatz, Mi 12. 10. A1 Tankstelle Mariatroster Straße 400, Do 13. 10. Karmeliterplatz, Fr 14. 10. Shoppingcenter West, Sa 15. 10. Schloßbergplatz Ost, So 16. 10. Hallenbad Eggenberg, Di 18. 10. Färberplatz, Mi 19. 10. Franziskanerplatz, Do 20. 10. Mariahilferplatz, Fr 21. 10. Schloßbergplatz West, Sa 22. 10. Platz der freiwilligen Schützen (Bad zur Sonne), So 23. 10. Hauptplatz
Graz, 1. – 23. 10. 2005, Di – So 11 – 18 Uhr



          Der Gesang/Die Redundanz
          es wird Leute geben, die es langweilig
          und vielleicht auch solche die es interessant
          finden werden
          aber mehr noch:
          sogar in einer einzigen Person (in mir selber)
          wird es unterschiedliche Wahrnehmungen
          desselben Gegenstandes geben: ich höre
          hin und finde es langweilig, ich höre
          wieder hin und es ist interessant.

          Da sich aber der Gegenstand selbst
          nicht verändert hat fragt man
          sich: was hat sich dann verändert.
          Was ist es, das „die Welt“ einmal
          langweilig und ein anderes Mal
          interessant erscheinen lässt.

          Die Antwort liegt auf der Hand:
          wir selber.
          (aus den Notizbüchern zur Stadtoper)


          Stichworte von Peter Ablinger zu
          6. Akt (Die Bestuhlung):

          Stuhlreihen: der klassische okzidentale Hörort, in der
          Berührung mit sonst nicht weiter hörenswert Erscheinendem,
          in der Berührung auch mit den sonst nicht in eine Oper Gehenden,
          der Hörvorgang selbst als Skulptur,
          individuell oder in Gruppen

           

           
Die Bestuhlung. Ein Hörstück. Mit 36 Stühlen – wie in der Galerie des Gesangs. Dieses mobile Stuhlleben ist allerdings kein Stilleben. Als städtische Installation auch nicht Ausgangspunkt für eine Reise nach Jerusalem. Vielmehr ein ästhetischer Versuch mit dem Homo sedens in Graz. Frei nach Samuel Beckett: „Du wirst irgendwo sitzen. Wie ich. Eines Tages wirst du dir sagen. ich setze mich und du wirst dich setzen. Dann wirst du dir sagen, ich hätte mich nicht setzen sollen, aber da ich mich gesetzt habe, bleibe ich noch ein wenig sitzen.“ – Platz nehmen also abseits von den Konventionen der klassischen Hörorte des Abendlands. Auf dass Hören und Sehen ganz anders vergehen mögen. Hier wird ein kleines Auditorium von Tag zu Tag an andere Standorte verpflanzt, in vorläufig wechselnde Positionen versetzt. Und das eigentliche Stück ereignet sich jenem Moment, in dem man sich auf der Bestuhlung niederlässt. Vielleicht an Orten auch, wo man ansonsten gewöhnlich nicht herumzusitzen pflegt. Der Fokus ist wiederum in der Hauptsache auf den Hörsinn gerichtet. Was auch immer geschehen mag – alles ist auf das Hören konzentriert. Es geht um Mobilität auf den fixen Stühlen der Wahrnehmung. Möglich auch, dass sich dabei verschiedene Arten akustischer Echos ereignen. Als Wiederbegegnung mit Elementarteilen aus anderen Akten. Als mémoire involontaire vielleicht mit den rauschenden Gesängen der Installationsästhetik des ersten Akts. Vielleicht mit den aller Macht der Gewohnheit enthobenen Angeln einer Wahrnehmung zwischen den Stühlen. Text: Wolfgang Hofer

          STILLSITZEN

          Ich frage mich manchmal warum Leute ins Konzert gehen und obwohl die Musik völlig langweilig ist, trotzdem still sitzen bleiben. Die Musik selbst, das was ist, kann nicht recht der Grund sein. Wenn wir Gründe suchen, finden wir natürlich welche. Irgendwelche ausgedachten Gründe die viel mehr Entschuldigungen sind als Gründe. Entschuldigungen fürs Stillsitzen. Die Entschuldigungen handeln natürlich immer vom Vorhandenen, von dem was ist. Oder sie handeln von irgendwelchen angeblichen Vorlieben. Sie sitzen still und entschuldigen sich anschließend dafür. Auch das Kritisieren ist so eine Entschuldigung. Warum hört man es sich denn schön still die ganze Zeit an, wenn man es nicht mag. Man mag wahrscheinlich nicht das was ist. Aber warum sitzt man still.

          Ich glaube man sitzt still, weil man das mag was nicht ist. Oder anderes ausgedrückt: Man liebt das Stillsitzen um seinetwillen. Man liebt es still zu sitzen und eine plausible und allgemein akzeptierte Erklärung dafür zu haben: "Ich gehe ins Konzert". Man liebt es, einen guten Grund dafür zu haben, schweigen zu müssen und auch alle anderen schweigen zu wissen. Aber was wird verschwiegen. Was ist das das nicht da ist. Das um dessentwillen man schweigt.

          Wir brauchen keine Antwort. Aber wir brauchen dieses Schweigen. Brauchen dieses Nicht-Anwesende, das in der Musik vielleicht stärker zum Tragen kommt als sonst wo.
          Peter Ablinger, 1994


          DIE BESTUHLUNG am 12.10.2005 an der A1-Tankstelle, Mariatroster Strasse
          Fotos: Maria Tržan, Zeichnung: Peter Ablinger



siehe auch: die Dokumentation über bisherige STUHL-PROJEKTE seit 1995




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1. Akt: DER GESANG
2. Akt: DAS ORCHESTER
3. Akt: DAS LIBRETTO
4. Akt: DIE HANDLUNG
5. Akt: DIE KULISSE
6. Akt: DIE BESTUHLUNG
7. Akt: DAS PUBLIKUM

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